Wir haben mit Menschen gesprochen, die sich für die Umwelt engagieren, gerade weil sie sich der enormen Herausforderungen bewusst sind, vor denen unsere Gesellschaften stehen. Ihre Motive und Methoden unterscheiden sich. Aber allen sind zwei Dinge gemein: Sie leben den Wandel, den sie in der Welt sehen wollen. Und sie inspirieren dadurch andere, es ihnen gleichzutun. Xiuhtezcatl Martinez ist einer von ihnen.

Xiuhtezcatl Martinez ist ein Phänomen: Er ist zu jung zum Wählen, zum Autofahren oder Alkoholtrinken, hat aber bereits dreimal vor den Vereinten Nationen gesprochen. «Time Magazine», CNN und «National Geographic» berichten bereits über sein Engagement. Vor einigen Monaten hat er sein erstes Buch «We Rise» publiziert und 2018 wird sein erstes Hip-Hop-Album erscheinen. Egal was das heute 17-Jährige Energiebündel macht – rappen, mobilisieren, schreiben –, sein Thema ist immer dasselbe: der Klimawandel und dessen Bürde für seine Generation. Über Wochen hatte ich versucht, ihn telefonisch zu erreichen, während seine Mutter – sie hatte sich als «Momager» vorgestellt – mich per E-Mail dabei unterstützte, einen Termin mit ihrem Sohn zu finden. Schliesslich erwischte ich ihn auf dem Rücksitz eines Autos irgendwo in den USA, als er von einem Auftritt zum nächsten gefahren wurde.

«Der Klimawandel steht über allem», sagt er. «Er betrifft jeden einzelnen Aspekt unseres Lebens. Wir müssen jetzt etwas tun, nicht erst in Zukunft, denn meine Generation hat keine Zeit zu verlieren!» Xiuhtezcatl ist in Mexiko und den USA aufgewachsen. Sein Vater ist ein indigener Nachfahre der Azteken. Er selber pflegt dieses Erbe behutsam und trägt seinen Vornamen mit Stolz. «Mein Vater hat mich die Rituale unserer Vorfahren gelehrt. Deshalb hatte ich schon immer einen ausgesprochen engen Bezug zur Natur.» Er erinnert sich an lange Tage im Wald und wie er als Kind Frösche gesammelt hat. Die Tür zum Aktivismus stiess jedoch seine Mutter Tamara auf. Seit über zwanzig Jahren ist sie umweltpolitisch aktiv und lebte dem Sohn vom ersten Tag an vor, was es heisst, für seine Ideale einzustehen. Als Auslöser für sein eigenes politisches Engagement erinnert sich Martinez an den Dokumentarfilm «The 11th Hour» von und mit Leonardo DiCaprio zum kritischen Zustand unserer Erde. Das war 2007. Im gleichen Jahr erschien der vierte Sachstandsbericht des IPCC und ein Jahr zuvor hatte Al Gores «An Inconvenient Truth» die Risiken des Klimawandels bekannt gemacht. «Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass es an meiner Generation liegt, Lösungen für den Klimawandel zu finden.» Xiuhtezcatl war damals sechs Jahre alt.

Seither ist der Tausendsassa Jugendkoordinator der NGO Earth Guardians, die auf eine Initiative seiner Mutter zurückgeht. In dieser Funktion geht er an Schulen, hält Vorträge zum Klimawandel und mobilisiert seine Generation. Er läuft bei Demonstrationen mit und gibt Hip-Hop-Konzerte. Dort rappt er von der Rückkehr zur Natur und der Verantwortung zum Widerstand gegen ein System, das die Zerstörung der Zukunft seiner Generation in Kauf nimmt. Xiuhtezcatl lebt zusammen mit seiner Mutter und dem jüngeren Bruder in Boulder im Bundesstaat Colorado. Dort konnte er mit Gleichgesinnten die lokalen Behörden überzeugen, eine Gebühr auf Plastiktaschen einzuführen und das Sprühen von Pestiziden in öffentlichen Räumen zu verbieten. Später stürmte er mit einer Gruppe Gleichaltriger Sitzungen, bei denen über Frackinglizenzen verhandelt wurde, und setzte für Colorado ein fünfjähriges Moratorium für Fracking durch.

Aktuell steckt Xiuhtezcatl mitten in einem epischen «David gegen Goliath»-Kampf: Mit 20 Gleichgesinnten zwischen neun und zwanzig Jahren hat er Klage gegen die amerikanische Regierung erhoben. Sie tue zu wenig, um seine Generation vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Die in der Verfassung verbrieften Rechte auf Leben, Freiheit und Eigentum seien durch die Erdölindustrie und die Untätigkeit der US-Regierung akut bedroht. «Falls wir gewinnen, wäre die Regierung gesetzlich verpflichtet, einen Massnahmenplan gegen den Klimawandel zu erarbeiten», sagt Martinez. Im November 2016 hat die Richterin Ann Aiken die Klage unter dem Titel «Juliana v. U.S.» gutgeheissen und die Forderung der Regierung ignoriert, den Fall abzuweisen. Laut Martinez beginnen im Frühling die ersten Anhörungen. «So was gab es noch nie!», freut er sich. Seit Donald Trump an der Macht sei und Klimawandel-Leugner und ehemalige Erdöl-CEOs in Schlüsselpositionen von Regierung und Verwaltung hieve, sei ihr Kampf noch wichtiger geworden. «Die Menschen sind wütend und gehen gegen die Trump-Regierung auf die Strasse», erzählt er. «Wir wollen diese Wut nutzen und sie in konstruktiven Aktivismus verwandeln.»