Vor bald 10 Jahren entschied sich eine Dame aus der High Society, Greenpeace Schweiz eine siebenstellige Summe testamentarisch zu vermachen, weil sich die Organisation seinerzeit gegen die Atombombentests der USA eingesetzt hatte. Vor der Volksabstimmung über den Atomausstieg bekommt diese Geschichte eine besondere Bedeutung.

Sie sei eine «Grande Dame» gewesen, erzählte mir der ältere, sympathische Herr am imposanten runden Holztisch in seiner Villa am Zürichberg. Das war im Jahr 2008. Ein paar Wochen zuvor hatten wir die Benachrichtigung erhalten, dass eine uns unbekannte Frau – nennen wir sie Ellen Stein – Greenpeace und ein Kinderhilfswerk gemeinsam als Haupterben eingesetzt habe. Der freundliche Herr war ihr Willensvollstrecker. Er breitete eine Vielzahl von Dokumenten aus, darunter dicke Bankauszüge und alte Schwarzweiss‐Fotos. Er sei ein Freund der Spenderin gewesen, erzählte er, und zeichnete mit blumigen Schilderungen ein Bild der uns so  wohlgesinnten, vermögenden Dame. Ellen Stein stammte aus einer bayrischen Brauereifamilie, die zu Beginn des 20.  Jahrhunderts in die USA ausgewandert war. Die vermögenden Eltern hatten sich alsbald vom Biergeschäft abgewandt und der Kunst verschrieben. Nach ihrem Tod erbten die drei Töchter ihre wertvolle Sammlung. Ellen Stein entschied sich, ihren Anteil zu verkaufen und nur zwei Werke zu behalten. Diese vermachte sie später testamentarisch einer Schweizer Kunstinstitution. Ellen Stein starb mit 87 Jahren. Sie hatte Greenpeace weder in den USA noch in der Schweiz jemals unterstützt. Überhaupt sei sie nicht der Typ Mensch gewesen, der spendet, erzählte der Willensvollstrecker. Vielmehr habe sie das Leben in vollen Zügen genossen und ihrem Stand entsprechend nobel gelebt, ohne jemals arbeiten zu müssen. Sie liebte das Reisen und genoss den Luxus von Grandhotels auf der ganzen Welt. Zuweilen residierte sie monatelang in  einem der teuersten Zürcher Hotels, um ihren musischen und  kulturellen Interessen zu frönen. Daneben, und das mag erstaunen, war sie aber auch eine dezidierte Atomgegnerin. Laut ihrem Willensvollstrecker erschütterten sie die diversen US-Atombombentests seit den 40er Jahren bzw. der  Umgang der Amerikaner mit der Atomkraft zutiefst. Diese Unzufriedenheit und Empörung sei die Motivation gewesen, Greenpeace im  Testament mit einer hohen siebenstelligen Summe zu bedenken. Ich erfuhr, dass Ellen Stein sehr strategisch vorgegangen war und sich ganz bewusst jene Organisation ausgesucht hatte, die unmittelbar nach ihrer Gründung gegen die US-Atomtests auf Amchitka in Alaska protestiert und 1975 nach erbittertem Ringen erreicht hatte, dass die oberirdischen Atomtests im Südpazifik beendet wurden. Ellen Stein hatte ihr Testament 11 Jahre vor ihrem Tod geschrieben. Damals lebte sie bereits in der Schweiz, denn sie hatte – verärgert über die US-Atompolitik – ihrem Heimatland den Rücken gekehrt und einen Schweizer geheiratet. Mit ihrem Willensvollstrecker traf ich mich mehrmals, da es sich um die grösste Erbschaft handelte, die Greenpeace jemals erhalten hatte. Zusammen besuchten wir auch das Grab von Ellen Stein auf  einem Friedhof am Zürichberg. Dort wurde mir einmal mehr bewusst, welche Bedeutung ein solcher Entscheid für eine Organisation haben kann. Dass es immer wieder Menschen gibt, die sich überlegen, was sie dieser Welt hinterlassen möchten, indem sie eine Organisation bedenken, die ihre Werte vertritt, erfüllte mich mit grosser Dankbarkeit. Diese Ereignisse liegen inzwischen bald 10 Jahre zurück. Und doch hatte ich das Gefühl, sie jetzt erzählen zu müssen. Schliesslich stehen wir vor einer wichtigen Volksabstimmung und einem weiteren Meilenstein für den Atomausstieg Schweiz. Dass uns dieser Schritt  gelingt, dass sich Greenpeace dafür einsetzt und wir darüber berichten, ist  sicher ganz im Sinne von Ellen Stein.

Muriel Bonnardin Wethmar ist Teamleaderin Projektspenden, Stiftungen und Erbschaften. Sie arbeitet seit 25 Jahren bei Greenpeace Schweiz.

Bei Fragen zum  Thema Testament dürfen Sie sich gerne bei Frau Claudia Steiger melden: 044 447 41 79 (täglich 9—13 Uhr) oder per E-Mail an [email protected]Unsere Website greenpeace.ch/legate vermittelt einen ersten Überblick.